Die Gruppe „5 past 9“ bot im Holzener KulturRaum ein spannendes Programm mit Werken von Tom Waits und Kurt Weill. Bericht und Foto: Ulrich Senf

Tom Waits – war das nicht der mit der kratzigen, rauchigen Stimme? Manche würden sogar sagen, der ganz ohne Stimme? War da nicht so eine seltsam morbide Atmosphäre, die seinen Songs anhing, aus der heraus sich so etwas wie Songs überhaupt erst entwickelten? Und dann so was! – Beim Auftritt der Gruppe „5 past 9“ in der Dorfmitte Holzen wurde zunächst von dieser Atmosphäre gar nichts greifbar, und irgendwie wollten die Ansagen auf dem Freiburger Hauptbahnhof und die Ankündigung einer – mit viel Verspätung anzutretenden – Reise schon gar nicht passen.

Zugegeben, es dauerte seine Zeit, sich einzuhören – doch plötzlich entdeckte man im KulturRaum der Holzener Dorfmitte einen ganz anderen Waits, einen sensiblen Geschichtenerzähler, der seine Songtexte aus der Gosse, aus dreckigen Spelunken oder den Niederungen des Lebens schöpfte und sie trotzdem in eine lichte Tonsprache übersetzt hat, in Melodien, die in eigenen Interpretationen eher verschüttet nebenher laufen.

Diese Schönheit, diese sparsame Eleganz der waits’schen Songs sozusagen von allem Ballast zu befreien und sie regelrecht freizulegen, das darf man getrost als das besondere Erlebnis des Abends und als Verdienst der Gruppe „5 past 9“ bezeichnen.

Seit fünf Jahren hat sich die eigenwillige Formation, die im Raum Freiburg zu Hause ist, dem US-amerikanischen Barden verschreiben. Die Sängerin Pia Zaschke gibt den Songs ihre Stimme; mal zelebriert sie die Texte hochsensibel, mal schreit sie sie wütend heraus.

Das musikalische Fundament steuert Andreas Schauder bei – nicht in erster Linie als Bassist, der schon von Natur aus das Geschehen sozusagen nach unter absichert, sondern vor allem als treibende Kraft, als virtuoser Musiker, der seinem Bass knorzigste Klänge entlockt und damit wohl am authentischsten die Brücke zu Waits schlägt. Dass er ganz nebenbei eigentlich von der Gitarre her kommt, schimmert – besser gesagt – strahlt durch, wenn er ganz allein Pia Zaschke bei der Ballade „Green gras“ auf der Gitarre begleitet. Sicher einer der intimsten und intensivsten Momente des Abends.

Shakir Ertek am Schlagzeug, Massimo Soavi an der Bassklarinette und Christoph Hüllstrung am Klavier runden das Ensemble ab und verstehen es immer wieder, den bluesigen Grundton der Musik ins Jazzige hinüberzuführen. Herausheben darf man Schlagzeuger Ertek, der mit seinem Timing Maßstäbe setzte und es verstand, seine Trommeln zum Singen zu bringen, ihnen regelrechte Melodien zu entlocken. In allen Genres zuhause, wusste Christoph Hüllstrung am Klavier wie am Keyboard als verlässlicher Begleiter ebenso wie als ideenreicher Improvisator zu beeindrucken. Schade, dass Massimo Soavi das so spezielle Timbre der Bassklarinette eher sparsam nutze. Da hätte man sich mehr, das Ensemble augenblicklich beflügelnde Reibungen wie mit Bassist Andreas Schauder gewünscht.

Und dann war da noch etwas anderes an dem Abend – die Wiederentdeckung der Nähe von Waits zu Kurt Weill, dem Mann mit der Dreigroschenoper. Wiederentdeckung deswegen, weil Tom Waits selbst die Musik des aus Deutschland in die USA emigrierten Komponisten für sich entdeckt hat. Nicht nur, dass Waits wie Weill, jeder zu seiner Zeit, ganz bewusst aus dem Reichtum der populären Musik Amerikas schöpften und beide viel Musik für das Theater geschrieben haben – bei Waits dann auch noch für den Film. Beide sind quasi kongeniale Geschichtenerzähler, die es verstanden, ihre Erzählungen in ebenso treffende wie bewegende Noten zu kleiden.

Dass „5 past 9“ es bei der Begegnung mit zwei so facettenreichen Musikern nicht einfach nur bei einer Gegenüberstellung der Songs beließ, sondern den ganzen Abend selbst als Geschichte zelebriert, sorgte für einen besonderen Reiz. So macht das Wiederentdecken Spaß, so wurden Parallelen regelrecht greif -, beziehungsweise hörbar. Ein echtes Erlebnis.